Allgemeiner Teil (BOARDMAN (1987); ENAY (1993); LEHMANN & HILLMER (1980); ZIEGLER (1998))
Name:
Der Name "Graptolith" kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt "Schriftstein". Und tatsächlich haben die Funde manchmal etwas von Kreidestrichen auf Schiefertafeln oder dünneren Bleistiftstrichen im Kalkstein.
Zuordnung:
Die Klasse Graptolithina wird zum Stamm der Hemichordata gezählt, einer Schwestergruppe der Chordata.
Die Graptolithen umfassen u.a. die zwei Ordnungen Dendroidea und Graptoloidea.
Lange war die phylogenetische Stellung der Graptolithen unklar, heute ist man sich der genannten Einordnung recht sicher, weil man eingehend Vergleiche zwischen dem Körperbau der nur fossil vorkommenden Graptolithen und dem der Pterobranchia, einer noch heute lebenden Klasse desselben Stammes, eingeholt hat.
Wachstum und Grundbauplan:
Graptolithen sind Koloniebildner.
Die nur etwa 0,5 mm großen Zooide der heutigen Pterobranchia besitzen eine Region mit einem Tentakelkranz, den sogenannten Lophophor, sie sind in sich eingefaltet und verfügen über eine Oralscheibe zum Schutz des Mundbereiches.
Diese gedrungenen Weichkörper sind durch einen Strang, der innerhalb der Röhren verläuft, verbunden und retrahierbar. Da man solch einen Stolon bei (primitiven) Graptolithen auch gefunden hat, liegt die Vermutung eines ähnlichen Aufbaus des Zooids nahe.
Die Entwicklung einer solchen Kolonie beginnt mit einem Embryo, der Prosicula. Die Bildung des Embryos selbst ist noch unbekannt.
Aus der Prosicula entwickelt sich die Sicula. In ihr befindet sich der erste Zooid, aus dem die ganze Kolonie hervorgehen wird.
An die Sicula werden im folgenden die Rhabdosome angebaut, das sind die "Striche", die man erkennt, mit den dazugehörigen "Häkchen". Die Kolonie kann dabei nach oben, zur Seite oder nach unten wachsen, was für die einzelnen Graptolithen-Gruppen spezifisch ist.
Die "Häkchen" werden Thecae genannt. Es sind die Öffnungen, in denen sich die Zooide befinden. Die innere Wand der Thecae wird von winzigen Halbringen gebildet, den Fuselli, die mit einer Zickzacknaht verbunden sind. Diese werden von einer lagigen Cortex überdeckt.
Bei den Dendroidea gibt es verschiedene Arten von Thecae: Man unterscheidet die größeren Autothecae, in der man die Zooide weiblichen Geschlechts vermutet von den kleineren Bithecae, die den männlichen Zooiden zugeornet werden, und den Stolothecae, Elementen des Stolons.
Auch weisen die Thecae verschiedener Graptolithen-Gattungen unterschiedliche Formen auf (parallel oder schräg zur Wachstumsrichtung der Kolonie, gerade oder gebogen, etc.). Diese gelten als ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal.
Das Material, aus welchem die Graptolithen aufgebaut sind, ist ein Skleroprotein.
Übersicht dieser und weiterer wichtiger Definitionen:
Graptolite Morphological Terms
aperture |
opening at the end of a theca or siculum |
basal disk |
means of attachment for the nema |
common canal |
tubular cavity within each stipe |
cortex |
outer layer of skeleton - surrounds the fusellar layers |
dissepiment |
skeletal crossbar joining two stipes |
fusellar layer |
inner layer of skeleton - pairs of half rings around thecae |
nema |
thin tube connecting a stipe to its float |
periderm |
material fusellar layers and cortx are made from |
rhabdosome |
graptolite colony |
sicula |
cup associated with the initial zooid |
stipe |
individual branch within a rhabdosome |
stolon |
tube through the center of each stipe |
suture |
line where fusellar half-rings meet |
theca
|
cup
associated with all but the first zooid |
virgulla |
spine at the end of a siculum |
zooids |
individual within a graptolite colony |
Tabelle von : http://www.earth.rochester.edu/ees207/Graptolites/caplangrap2.htm
Vorkommen und Fundsituationen:
Graptolithen lebten vom Kambrium bis ins Oberkarbon und stellen heute hervorragende Leitfossilien für das Ordovizium und das Silur.
Man findet sie fossil in Schwarzschiefern, wo sie, wie wir selbst auf unserer Exkursion sehen konnten, entweder weiß (Gümbelit) oder glänzend erhalten sind.
Sie sind auch in kalkigen oder silikatischen Knollen zu finden, aus denen sie mit den entsprechenden Chemikalien herausgeätzt werden können.
Benthische Graptolithen:
Es gibt fünf Ordnungen von benthischen Graptolithen, vier davon sind jedoch für den fossil record relativ bedeutungslos.
Die fünfte und wichtigste sind die Dendroidea. Sie treten zu Beginn des Ordoviziums erstmals auf, sind im Mittelkambrium weit verbreitet und sterben im Oberkambrium aus. Somit stellen sie zwar die primitivste, aber auch die langlebigste Graptolithenordnung dar.
Bei diesen Formen handelt es sich um buschige, fächerartige oder konische verzweigte Typen, die bis zu 1m hohe Gebilde formen können und deren Äste durch Dissepimente miteinander verbunden sind. Wie schon erwähnt liegt bei den Dendroidea ein Theken-Trimorphismus vor (Auto-, Bi- und Stolothecae).
Diese Gruppe ist sehr vielfältig, demnach können die Thecae unterschiedlich angeordnet sein.
Die Kolonien sind mit der Spitze der Sicula am Boden verankert, meist wird noch eine Art Fuß ausgebildet. Ein charakteristisches Beispiel für diese Ordnung ist die Gattung Dictyonema:
Abbildung von : www.dtp-neiser.de/illustration/ 1cWiss_Tech/3.htm
Übergangsformen:
Die benthischen Dendroidea werden allgemeinhin als die Vorläufer der planktonischen Graptoloidea angesehen. Dabei wird noch immer darüber diskutiert, ob es einen einzigen Vorfahr der Graptoloidea gibt oder ob sich die Planktonische Lebensweise mehrfach konvergent entwickelt hat.
Auf dem Weg zum schwimmenden Organismus gab es epiplanktonische Zwischenstufen, das heißt, Graptolithen, die sich an treibende Pflanzen hefteten und sich so durch das Wasser bewegten.
Diese Theorie wird dadurch gehalten, daß in einem Stadium der Embryogenese von planktonischen Graptolithen noch immer Festheftscheiben entwickelt sind. Eine solcher Übergangsformen ist z.B. Anisograptus.
Anpassungen an das Schwimmen: viele Äste => wenige
lange Äste => lurze
Reduktion der Dissepimente
Reduktion der Bithecae: Hermaphrodite
Verlust des Stolons
Entwicklung von Schwimmhilfen (Fortsätze, etc.)
Reduktion der Cortex
Planktonische Graptolithen:
Die ersten echten Graptoloidea traten im Arenig mit der Gattung Rhabdinopora auf.
Die Kolonien wachsen nun in linearen, meist durch eine Virgula gestützten Anordnungen, wobei, wie schon erwähnt, alle Orientierungen möglich sind.
Es existiert eine hohle apikale Erweiterung der Sicula, die Nema.
Die Graptoloidea sind eine unglaublich diverse Gruppe, in der einzelne Gattungen zur Verbesserung des Schwimmverhaltens sehr kuriose Formen entwickelt haben, z.B. waren einige uni- oder biseriale Typen (Thecae auf einer oder beiden Seiten eines Astes) spiralig aufgedreht (Dicellograptus, Dicranograptus u.ä.). Es wird vermutet, daß sich solche Kolonien um die eigene Achse drehten und so ihr Absinken stark verlangsamten. Eventuell trugen die Zooide mit Tentakelbewegungen aktiv dazu bei.
Gelegentlich findet man auch Rhabdosome, die sich eine gemeinsame Schwimmhilfe teilen, sogenannte Synrhabdosome (Orthograptus).
Graptoloidea leben meist in offenen marinen Bereichen, von oberflächennah bis Tiefsee. Nur wenige Formen besetzen flachmarine Biotope (z.B. Didymograptus stabilis, Didymograptus murchisoni).
Stratigraphischer Teil (ENAY 1993; FORTEY 1995; HUGHES 1995)
Stratigraphie allgemein:
Die Untergliederung von Ordovizium und Silur (und Unterdevon) wird anhand von Graptolithen-Faunen vorgenommen, Vergesellschaftungen, die nach dem prominentesten Vertreter (auf Familienniveau) benannt werden.
Von Tremadoc bis Unterdevon gibt es vier Hauptfaunen:
Fauna |
Zeit |
Aussehen/Vertreter |
Monograptidae-Fauna |
Llandovery – Anfang Mitteldevon |
Uniserial, gerade, spiralig, gedreht... |
Diplograptidae-Fauna |
Anfang Llanvirn – Unteres Llandovery |
Biseriale Entwicklung, große Diversität |
Dichograptidae-Fauna |
Arenig |
Graptoloid, viele => weniger Äste, Begleitformen: Tetragraptus, Didymograptus |
Anisograptidae-Fauna |
Tremadoc |
Dendroid, teilweise planktonisch |
(Tabelle nach ENAY 1993)
Nach dem Ende des Unterdevons sterben die Graptoloidea aus. Die Dendroidea existieren als primitive Gruppe noch bis ins Oberdevon, allerdings ohne bedeutenden Leitwert.
Stratigraphie im Detail:
Die Stratigraphie mit Graptolithen-Zonen, die nach dem Auftreten bestimmter Arten benannt sind, ergibt in Korrelation mit der Biostratigraphie anderer Organismen (Brachiopoden, Trilobiten, Conodonten) und absoluter Datierung eine äußerst präzise Untergliederung für Ordovizium und Silur. Als Beispiel soll hier die Unterteilung des Ordoviziums in Stufen dienen, auf Lokalitäten in Wales und England bezogen (nach FORTEY et al. 1995):
Serie |
Stufe |
Graptolithen |
Lokalität |
Ashgill |
Hirnantian |
Glyptograptus persculptus Diceratograptus mirus Dicellograptus pacificus |
Bala District, North Wales, Cym Hirnand |
Rawtheyan |
Dicellograptus pacificus Dicellograptus anceps |
? |
|
Cautleyan |
No useful graptolites |
? |
|
Pusgillian |
Dicellograptus complanatus Pleuroraptus linearis (stratigraphically not useful) |
Pus Gill |
|
Caradoc |
Streffordian |
Sparse graptolite evidence Pleuroraptus linearis |
Shropshire and Welsh Borderland |
Cheneyan |
No useful graptolites |
||
Burrellian |
Nemagraptus clingani Nemagraptus foliaceus |
||
Aurelucian |
Nemagraptus gracilis |
||
Llanvirn |
Llandeilian |
Glyptograptus teretiusculus |
Central South Wales |
Abereiddian |
Glyptograptus teretiusculus Didymograptus murchisoni Didymograptus artus |
Abereiddi Bay, St. David's |
|
Arenig |
Fennian |
Didymograptus hirundo Didymograptus gibberulus Didymograptus extensus |
Cwmfelin Boeth |
Whitlandian |
Incomplete record
|
Dyfed (Trilobiten: St. David's Peninsula) |
|
Moridunian |
Incomplete record |
Ogof Hen |
|
Tremadoc |
Migneintian |
Angelina sedgwickii Conophrys salopiensis |
Shropshire |
Cressagian |
Adelograptus tenellus Rhabdinopora flabelliformis |
The Wrekin, Shropshire |
Wie genau die Stratigraphie mit Graptolithen ist wird deutlich, wenn man die Dauer der einzelnen Zonen berechnet. Dazu sind radiometrisch ermittelte Daten (tie points) nötig. Dort, wo sie fehlen, kann durch Annahme gleichlanger Biozonen oder durch statistische Untersuchungen besonders zahlreicher Fossilien interpoliert werden, wobei letztere Methode (graphic interpolation) genauer ist und , wenn möglich, der ersten (chron interpolation) vorgezogen wird.
HUGHES hat auf diese Weise 1995 die durchschnittliche Dauer der Graptolithenzonen für die Serien des Silur ermittelt, wobei es sich um die am höchsten auflösende Biostratigraphie von Macrofossilien im gesamten Paläozoikum handelt.
Dazu muß erwähnt werden, daß sich der Autor nicht ausschließlich auf Wales bezieht, da es dort zwar 47 Zonen und Unterzonen fürLlandovery bis Lulow gibt, jedoch keine für das Prídolí. Diese sind nur in Kasachstan und Tschechien zu finden. Die berücksichtigten 34 Einheiten ergeben sich also aus den gesamten Zonen ohne Unterzonen.
Das Ergebnis ist verblüffend: Die Dauer der Graptolithenzonen variiert zwischen nur 0,44Ma (Wenlock) und 1,43Ma (Prídolí).
Boardman, R.S.; Cheetham, A.H.; Rowell, A.J. (1987): Fossil Invertebrates. Blackwell Scientific Publications.
Enay, R. (1993): Palaeontology of Invertebrates. Springer-Verlag Berlin Heidelberg.
Fortey, R.A. et al. (1995): A review of Ordovician series and stages from the historical type area. Geological Magazine 132, 15-30.
Hughes, R.A. (1995): Duration of Silurian Graptolite zones. Geological Magazine 132, 113-115.
Lehmann, U.; Hillmer, G. (1980): Wirbellose Tiere der Vorzeit. Enke Verlag.
Ziegler, B. (1998): Einführung in die Paläobiologie, Bd.3: Spezielle Paläontologie. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart.
www.dtp-neiser.de/illustration/1cWiss_Tech/3.htm
www.earth.rochester.edu/ees207/Graptolites/caplangrap2.htm
http://nearctica.com/paleo/inverts/miscinvs.htm
www.science.uwaterloo.ca/earth/geoscience/graptol.html
www.ucmp.berkeley.edu/silurian/silurstrat.html