Tiefmarine Ichnofossilien

von Dominik Wolf

 

Spurenfossilien

Spurenfossilien sind fossil erhaltene Strukturen, die in Festgesteinen, Lockersedimenten und anderen Substraten von Organismen angelegt wurden (Bromley, 1999); Körperfossilien oder aktiv beim Ortswechsel mitgeführte Gebilde gehören nicht zu den Ichnofossilien (Seilacher, 1953).

Anhand dieser Definition kann man folgende Teilgruppen der Spurenfossilien unterscheiden:

-   Fußabdrücke, Gänge und Fährten in unverfestigten Sedimenten

-   Raspelspuren, Bohrungen und Ätzspuren in festen Substraten

-   Kotpillen, Pseudokot und Koprolithen

 

Die Entstehung von Spurenfossilien 

Spuren

Spuren sind Zeugnisse der Aktivität (endo-)benthisch lebender Tiere vieler unterschiedlicher Gruppen, darunter Muscheln, Krebse, Polychaeten, Holothurien und Röhrenwürmer. Neben Fährten von Lebewesen, die sich über die Sedimentoberfläche hinweg bewegen, sind vor allem Gänge von grabenden Tieren von Bedeutung. Diese Organismen genießen innerhalb des Sedimentes neben Schutz vor Räubern bzw. vor der vorzeitigen Entdeckung durch Beutetiere viele Vorteile; so lässt sich in zylindrischen Gängen z.B. leicht eine stabile Wasserzirkulation erzeugen, die das Atmen und ggf. (bei Suspensionsfressern) die Nahrungsaufnahme erleichtert.

Grabende Organismen können auf verschiedene Art und Weise in das Sediment eindringen und sich dort fortbewegen:

-   Durchdringung:     Bei der Durchdringung wird das Sediment lediglich kurzzeitig zur Seite gedrängt. Hinter dem Organismus schließt sich der Gang sofort wieder.

-   Komprimierung:    Manche Organismen (z.B. grabende Muscheln) erzeugen offene Gänge, indem sie die Gangwände verdichten.

-   Aushöhlung:          Bei dieser Methode wird Sediment im vorderen Bauabschnitt gelockert und zur Substratoberfläche wegtransportiert. Im marinen Ablagerungsmilieu höhlen beispielsweise Fische und Crustaceen Bauten aus.

-   Stopfgefüge:          Werden während der Fortbewegung eines Organismus’ Sedimentkörner gelockert, aktiv transportiert und dann wieder resedimentiert, spricht man von einem Stopfgefüge oder Versatz.

 

Oftmals kann starke endobenthische Grabungsaktivität, die als Bioturbation bezeichnet wird, dazu führen, dass primäre Sedimentstrukturen ausgelöscht werden und es zu einer Entschichtung des Sedimentes kommt.

 

Die Erhaltung von Spuren als Ichnofossilien

Das Erhaltungspotential von Spuren kann stark variieren. Strukturen, die oberflächennah in Sedimenten mit starker und fortdauernder Aufarbeitung - also z.B. in der küstennahen Brecherzone - angelegt werden, können so nur selten überliefert werden.

Spuren tieferer Stockwerke im Sediment besitzen generell ein besseres Erhaltungspotential. In der Regel werden nur solche Strukturen konserviert, die sich tief genug unter der Zone der physikalischen oder auch biogenen Aufarbeitung, der sogenannten Durchmischungsschicht, befinden.

Spuren aus Ablagerungsräumen mit kontinuierlicher Sedimentation werden meistens als Vollrelief erhalten. Ichnofossilien dieser Art sind nur dann gut zu erkennen, wenn lithologische Unterschiede zwischen der Wandstruktur und dem umgebenden Substrat des Baus bestehen oder dieser mit kontrastierendem Material aufgefüllt wurde. Besteht kein lithologischer Unterschied, können auch Abweichungen bei der Kompaktion, der Kornorientierung und der chemischen Zusammensetzung der Füllung und der Gangwände Ichnofossilien sichtbar machen.

Plötzlich einsetzende, starke Sedimentation (Verschüttung), wie sie z.B. im Zusammenhang mit Turbidit-Strömen beobachtet werden kann, führt hingegen zur Ausfüllung der offenen Grabgänge an der Oberseite des begrabenen Sedimentes; die Spuren werden als Semirelief überliefert.

Bei der Ablagerung des Turbidites wird die benthische Fauna rasch ausgelöscht und der Prozess der fortwährenden Zerstörung von Spuren unterbrochen. So werden auch Strukturen der Durchmischungsschicht erhalten, die sonst durch Bioturbation ausgelöscht werden.

 

Ichnologische Prinzipien

-   Das gleiche Individuum oder die gleiche Art kann unterschiedliche Strukturen anlegen, die auf unterschiedlichen Verhaltensmustern beruhen.

-   Der gleiche Bau kann in verschiedenen Substraten unterschiedlich erhalten sein.

-   Verschiedene Erzeuger von Spuren können bei ähnlichem Verhalten identische Strukturen erzeugen.

-   Mehrere Erzeuger von Gängen können eine einzige Struktur erzeugen

-   Organismen, die Spuren erzeugen, bleiben nicht erhalten.

 

Benennung und Klassifikation 

Taxonomie

Da die Erzeuger von Spurenfossilien oftmals unbekannt sind, bestimmte Ichnofossilien von vielen verschiedenen Organismen mit Verhaltenskonvergenz erzeugt werden können und manche Strukturen als Sammelspur angesehen werden müssen, ist die Benennung eines Spurenfossils nach einem bestimmten Tier generell nicht durchführbar.

Die Benennung ist nicht an vorgeschriebene Regeln gebunden, folgt aber in der Regel folgenden Kriterien:        

 -  allgemeine Form

 -  Wandstruktur und –auskleidung

 -  Verzweigung

 -  Füllung

 

Übergeordnete ichnotaxonomische Gliederung

Klassifikation nach der Erhaltung: Bei dieser Art der Klassifikation wird die Morphologie der erhaltenen Spur (Toponomie), d.h. das Verhältnis der Struktur zum Substrat, in dem sie erhalten ist, beschrieben. Spurenfossilien können als Vollrelief innerhalb einer Sedimentschicht oder als Semirelief an der Ober- oder Unterseite der Bank (Epi- bzw. Hyporelief) überliefert werden.

Seimrelief-Strukturen werden darüber hinaus je nach Ausprägung als konkav oder konvex bezeichnet.

Ethologische Klassifikation: Dieser Klassifikationsansatz interpretiert Ichnofossilien als überlieferte Verhaltensmuster. Folgende wichtige Kategorien werden unterschieden:

 

-   Ruhespuren (Cubichnia)

-   Kriechspuren (Repichnia)

-   Weidespuren (Pascichnia)

-   Fressspuren (Fodichnia)

-   Wohnspuren (Domichnia)

-   Fallen- und Kultivierungsspuren (Agrichnia)

-   Raubspuren (Praedichnia)

-   Ausgleichsspuren (Equilibrichnia)

-   Fluchtspuren (Fugichnia)

-   Aufzuchtsstrukturen (Calichnia)

-   über dem Substrat gebildete Strukturen (Aedifichnia)

 

 

Abbildung von: http://earthsci.org/palaeo/tracef/tracef.html

(1. Cruziana, 2. Anomoepus, 3. Cosmorhaphe, 4. Paleodictyon, 5. Phycosiphon, 6. Zoophycos, 7. Thalassinoides, 8. Ophiomorpha, 9. Diplocraterion, 10. Gastrochaenolites, 11. Asteriacites, 12. Rusophycos)

 

Vergesellschaftungen von Spurenfossilien

 

Die wichtigsten in der Palichnologie verwendeten Begriffe zur Beschreibung von Vergesellschaftungen von Ichnofossilien sind: 

 

-   Ichnocoenose: Unter dem Begriff Ichnocoenose (oder besser Palichnocoenose) versteht man eine Spurenfossilvergesellschaftung, die auf eine bestimmte Lebensgemeinschaft zurückgeht. Da es z.T. nicht leicht ist, Spuren verschiedener Lebensgemeinschaften auseinander zu halten, bereitet die exakte Eingrenzung einer Palichnocoenose oft Probleme.

-   Suite: In einer Suite werden die Spuren mehrerer aufeinanderfolgender endobenthischer Lebensgemeinschaften zusammengefasst. Die Suite repräsentiert daher eine zusammengesetzte Vergesellschaftung.

-   Spurengilde: Spurengilden fassen Strukturen zusammen, die von Organismen der gleichen ökologischen Nische durch die gleiche Aktivität angelegt wurden.

-   Seilachersche Ichnofazies: Der Begriff der Ichnofazies wurde entwickelt, um die wiederkehrenden Vergesellschaftungen von Spurenfossilien des Phanerozoikums zu erfassen. Solche stets sehr ähnlichen Gesellschaften spiegeln meist ein ähnliches (Paläo-)Milieu wider; die Identifizierung der Ichnofazies liefert daher wichtige Informationen über die ökologischen Bedingungen eines Ablagerungsmilieus wie Bathymetrie, Salinität und das Substrat zur Zeit der Entstehung der Spurenfossilien.

 

Tiefmarine Ichnofazies

 

Ursprünglich wurden von Seilacher sechs Ichnofazies definiert. Vier davon, die Skolithos-, Cruziana-, Zoophycos- und Nereites-Ichnofazies, basieren überwiegend auf Bathymetrie. Die Glossifungites-Ichnofazies kommt nur auf Hartgründen vor, und die Scoyenia-Ichnofazies ist in kontinentalen Rotsedimenten zu finden. Im Laufe der Zeit kamen noch einige weitere (mögliche) Ichnofazies hinzu.

 

 

Abbildung von: http://www.earthsciences.ucl.ac.uk/undergrad/fieldwork/image/fieldtrips/TraceFossils/ichno.htm

 

Im tiefmarinen Bereich sind die Zoophycos- und die Nereites-Ichnofazies zu finden.

 

Die Zoophycos-Ichnofazies

 

 

Abbildung von: http://www.earthsciences.ucl.ac.uk/undergrad/fieldwork/image/fieldtrips/TraceFossils/ichno.htm

Laut Bromley (1999) kommt die Zoophycos-Ichnofazies vom äußersten Sublitoral (oft dicht unter der Sturmwellenbasis) bis in größere Wassertiefen des Bathyals vor. Das Ablagerungsmilieu weist Stillwasserbedingungen auf und wird allgemein als anoxisch angesehen. Die Sedimente, in denen die Zoophycos-Ichnofazies angesiedelt ist, sind meist stark bioturbiert. In der Regel sind nur die tiefsten Stockwerke gut erhalten, so dass die Fazies durch eine geringe Spurenvielfalt gekennzeichnet ist. Bei größerer Sauerstoffarmut verschwinden die höheren, stark bioturbierten Bereiche der Ichnofazies völlig, die tieferen, von der Zoophycos-Chondrites-Spurengilde geprägten Stockwerke bleiben jedoch vorhanden.

Zoophycos ist das einzig wirklich charakteristische Ichnotaxon der Ichnofazies, alle weiteren typischen Strukturen wie Chondrites oder, in den höheren, seltener erhaltenen Stockwerken, Phycosiphon und Thalassinoides sind aus verschiedenen Gründen nicht als charakteristische Taxa anzusehen. Die Spuren sind meist einfache Weide- und Fressspuren von Sedimentfressern und werden durch horizontale bis leicht geneigte Spreiten charakterisiert (Pemberton, Maceachern & Frey, 1992).

 

Die Nereites-Ichnofazies

Die Nereites-Ichnofazies tritt stets in Verbindung mit tiefmarinen turbiditischen Ablagerungen auf. Sie wird geprägt von oft sehr komplexen Agrichnia- und Pascichnia-Strukturen wie Paleodyction, Helminthoida, Spirorhaphe und Cosmorhaphe, die in geringer Anzahl, dafür aber in großer Vielfalt vorkommen. Diese Spuren stellen präsedimentäre Bildungen in den kurzlebigen oberen Stockwerken von Schlamm-Ichnozoenosen dar und werden als Semirelief erhalten, wenn sie plötzlich von turbiditischen Strömen mit geringer Erosionskraft begraben werden. Im sandigen Substrat des Turbidites siedelt kurzeitig eine postsedimentäre Gesellschaft, die meist zur Nereites-Ichnofazies gerechnet wird. Diese wird aber nach einer gewissen Zeit von der ursprünglichen Gemeinschaft verdrängt, wenn das sandige Substrat wieder von tonigen Tiefseesedimenten überlagert wird.

 

Abbildung von: http://www.earthsciences.ucl.ac.uk/undergrad/fieldwork/image/fieldtrips/TraceFossils/ichno.htm

 

Gängige Interpretationen sehen in der Nereites-Ichnofazies eine Stillwasser-Vergesellschaftung aus einem sauerstoffreichen Milieu des bathyalen bis abyssalen Bereiches. Neuere Untersuchungen lassen jedoch vermuten, dass die Spuren der Nereites- und der Zoophycos-Ichnofazies eventuell von der gleichen Lebensgemeinschaft hinterlassen wurden. Während die Nereites-Ichnofazies die gut durchlüfteten oberen Stockwerke repräsentiert, belegt die Zoophycus-Ichnofazies nach dieser Deutung die sauerstoffarmen tiefen Stockwerke der Gemeinschaft (Bromley, 1999).

 

Beispiele für eine typische Nereites-Ichnofazies findet man auch in den turbiditischen Abfolgen des Ordovizium und Silur im Westen von Wales. Hier treten innerhalb von turbiditischen Sandsteinen sowie pelagischen und hemipelagischen Tonsteinen 23 Ichnospezies aus 15 Ichnogattungen auf (McCann, 1993). Wichtige Gattungen aus den turbiditischen Sanden sind z.B. Gordia, Helminthoida, Helminthopsis, Nereites, Paleodictyon und Protopaleodictyon. Innerhalb der Tonsteine wurden nur die beiden Arten Chondrites ichnosp. und Planolites motanus beobachtet.  

 

Literatur

 

Bromley, R.G. 1999. Spurenfossilien. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg

Etter, W. 1994. Palökologie - eine methodische Einführung. Birkhäuser Verlag Basel

Frey, R.W., MacEachern, J.A. & Pemberton, S.G. 1992. Trace Fossils Facies Models: Environmental and Allostratigraphic Significance. (In: James, N.F. & Walker, R.G. 1992. Facies Models: Response to Sea-Level Change. Geotext 1, Geological Association of Canada)

McCann, T. 1993. A Nereites ichnofacies from the Ordovician-Silurian Welsh Basin. Ichnos 3, 39 –56

Seilacher, A. 1953. Studien zur Palichnologie. I. Über die Methoden der Palichnologie. Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie. Abhandlungen, 421-452

 

http://www.earthsciences.ucl.ac.uk/undergrad/fieldwork/image/fieldtrips/TraceFossils/ichno.htm

http://earthsci.org/palaeo/tracef/tracef.html

http://www.emory.edu/COLLEGE/ENVS/research/ichnology/Nereites.htm

http://www.geo.arizona.edu/geo3xx/308/cha3.html

Zurück zur Homepage