Geologie des Mars

von Matthias Böhm 

1. Allgemeine Informationen zum Mars

1.1 Mars und Erde im Vergleich

1.2 Die Atmosphäre des Mars

1.3 Die Monde des Mars

1.4 Missionen zum Mars

2. Topographie und Oberflächengeologie

2.1 Figur des Mars

2.1.1 COM-COF-Versatz

2.2 Hauptmerkmale der Topographie und deren geologische Einordnung

2.2.1 Westliche Hemisphäre

2.2.2 Östliche Hemisphäre

2.2.3 Die Polkappen

2.3 Exogene Kräfte

2.4 Altersbestimmung

3. Schwerefeld und Krustenmächtigkeit

4. Magnetik

5. Petrologie und Aufbau des Mars

5.1 Petrologie der Oberfläche

5.2 Die Marsmeteorite

5.3 Die Entwicklung der Krustengesteine

5.4 Der Mantel des Mars

5.5 Der Kern des Mars

6. Zusammenfassung

Literatur

 

1. Allgemeine Informationen zum Mars

1.1 Mars und Erde im Vergleich

 

Der Mars ist von der Sonne aus der vierte Planet in unserem Sonnensystem und gehört mit Merkur, Venus, Erde und mehreren Monden zu den sogenannten terrestrischen Planeten (Janle 1993a). Er besitzt ca. 10% der Masse und ca. 15% des Volumens der Erde (Tab. 1). Sein mittlerer Radius ist etwa halb so groß.

Durch die geringere Größe des Mars ist das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen größer als bei der Erde, was den Schluss nahe legt, dass der Mars eine schnellere Auskühlung erlebt und eine mächtigere Lithosphäre ausgebildet hat.

 

Parameter

Mars

Erde

 

absolut

relativ (Mars/Erde)

absolut

Masse

0,64185 · 1024 kg

0,107

5,9737 · 1024 kg

Volumen

16,318 · 1010 km3

0,151

108,321 · 1010 km3

mittlerer Radius

3390 km

0,532

6371 km

mittlere Dichte

3,933 g/cm3

0,713

5,515 g/cm3

Oberflächen-Gravitation

3,69 m/s2

0,377

9,78 m/s2

Tageslänge

24 h  40 min (=1 sol)

1,027

24 h

Jahreslänge

686,98 d (=669 sol)

1,881

365,256

mittlere Entfernung zur Sonne

227,94 · 106 km

1,524

149,6 · 106 km

 

Tabelle 1:  Verschiedene Parameter von Mars und Erde im Vergleich (Hamilton 2001b; Fischer & Dorn 1982)

 

1.2 Die Atmosphäre des Mars

 

Hauptbestandteil der Marsatmosphäre ist Kohlendioxid mit über 95% Volumenanteil (Tab. 2). Alle anderen Gase spielen nur eine untergeordnete Rolle. Auffällig ist der geringe Anteil an Wasserdampf, der unter 1‰ liegt.

Der Atmosphärendruck beträgt an der Marsoberfläche 6 bis 7 mbar und ist damit so gering, dass flüssiges Wasser nicht stabil ist. Statt zu schmelzen sublimiert Wassereis hier bei Erwärmung.

Die Durchschnittstemperatur liegt bei -63°C. Es wurden Temperaturen zwischen -140°C und 20°C gemessen (Hamilton 2001b).

 

Bestandteil

Anteil in Vol.-%

Kohlendioxid (CO2)

         95,32

Stickstoff (N2)

           2,7

Argon (Ar)

           1,6

Sauerstoff (O2)

           0,13

Kohlenmonoxid (CO)

           0,07

Wasser (H2O)

           0,03

 

Tabelle 2:  Zusammensetzung der Marsatmosphäre (Hamilton 2001b)

 

1.3 Die Monde des Mars

 

Der Mars hat 2 Monde, Phobos und Deimos. Beide sind unregelmäßig geformt und sehr klein. Es handelt sich möglicherweise um eingefangene Asteroiden. Phobos, der innere Mond, hat eine Masse von 1,08·1016 kg, der Radius liegt zwischen 13,5 und 9,4 km und seine mittlere Entfernung zum Mars liegt bei ca. 9380 km. Seine Umlaufzeit um den Mars beträgt 7 h 40 min (Hamilton 2001c). Deimos, der innere Mond, hat eine Masse von 1,8·1015 kg, der Radius liegt zwischen 7,5 und 5,5 km und er ist durchschnittlich 23460 km vom Mars entfernt. Er benötigt 30 h 18 min für eine Umrundung des Mars (Hamilton 2001a).

 

1.4 Missionen zum Mars

 

Die erste Raumfahrtmission zum Mars wurde am 10.10.1960 von der UdSSR gestartet. Die Sonde Mars 1960 A erreichte jedoch nicht einmal eine Erdumlaufbahn. Einige weitere Missio­nen von UdSSR und USA schlugen fehl, bevor die amerikanische Mariner 4-Sonde am 14.07.1965 am Mars vorbeiflog und 21 Fotos zur Erde sendete (NASA 2001b).

Auch die ersten Landesonden wurden von der UdSSR gestartet. Die Landesonde Mars 2 tauchte am 27.11.1971 in einem falschen Winkel in die Marsatmosphäre ein und wurde bei der Landung zerstört. Mars 3 setzte am 03.12.1971 erfolgreich auf. Ihre Instrumente waren jedoch nur 20 Sekunden aktiv, da die Sonde in einem starken Sandsturm gelandet war (King 2001).

Die dem heutigen Kenntnisstand zu Grunde liegenden Daten wurden hauptsächlich von den NASA-Missionen Mariner 9 (Orbiter), Viking 1 und 2 (jeweils ein Orbiter und eine Landesonde), Mars Global Surveyor („MGS“; Orbiter) und Mars Pathfinder (Landesonde) gewonnen. Die ersten globalen geologischen Karten wurden nach Daten von Mariner 9 gemacht (NASA 2001b). Die derzeitig aktuellen Karten beruhen auf Viking-Daten. Den in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnissen liegen größtenteils Daten von MGS zu Grunde.

 

2. Topographie und Oberflächengeologie

2.1 Figur des Mars

 

Alle topographischen Daten des aktuellen Höhenmodells für den Mars beziehen sich auf einen triaxialen Ellipsoid, der die Figur des Mars am besten beschreibt. Das Zentrum dieses Ellipsoids ist das Massenzentrum des Mars („Center Of Mass“, COM; Smith et al. 1999). Erstaunlicherweise ist das Massenzentrum des Mars gegenüber dem Zentrum seiner Figur („Center Of Figure“, COF) um knapp 3 km entlang der Polachse nach Süden versetzt. Dadurch liegt der Südpol durchschnittlich 6 km über dem Nordpol, und es entsteht ein globales Gefälle von 0,036° von Süden nach Norden. Bedingt durch die Tharsis-Aufwölbung, ein riesiges Hochplateau auf der westlichen Hemisphäre des Mars, kommt ein weiterer COM-COF-Versatz von 1,5 km entlang einer Achse in der Äquatorebene zustande (Smith et al. 1999).

Der Höhenunterschied zwischen dem höchsten und dem tiefsten Punkt des aktuellen Höhenmodells beträgt fast 30 km (Oberst 2001).

 

2.1.1 COM-COF-Versatz

 

Besonders auffällig am topographischen Höhenmodell des Mars ist eine globale Zweiteilung (Dichotomie) in ein südliches Hochland und ein durchschnittlich etwa 5 km tiefer gelegenes nördliches Tiefland (s. Abb. 1, 3). Der Hauptgrund hierfür ist der COM-COF-Versatz (Smith et al. 1999). Auch in der Oberflächengeologie drückt sich die Dichotomie aus. Die südliche, höher gelegene Hemisphäre ist sehr alt. Dies ist an Häufigkeit und Größe von Impactkratern zu erkennen. Das jüngere nördliche Tiefland ist mit weniger und kleineren Kratern besetzt. Seine Oberfläche ist wesentlich glatter (Smith et al. 1999). Sie muss sich nach dem heftigen Bombardement in der Frühzeit des Mars neu gebildet haben.

Es gibt verschiedene Theorien zur Entstehung dieser globalen Zweiteilung bzw. des COM-COF-Versatzes. Zum ersten könnten ein oder mehrere Impactereignisse die Ursache sein. Dagegen spricht allerdings die Geometrie des Tieflands und Erkenntnisse aus der gravimetrischen Erkundung des Planeten (Zuber et al. 2000). Die anderen Theorien gehen von endogenen Ursachen aus. Eine Erklärung besagt, dass die Dichotomie durch eine primordiale Krusteninhomogenität verursacht wurde, die allerdings schon bei der Akkretion hätte eingeleitet werden müssen (Fortes 1999). Dies ist allerdings bei keinem anderen terrestrischen Planeten zu beobachten. Eine andere Theorie geht von der Delaminierung der Lithosphäre der nördlichen Hemisphäre durch Konvektionsströme im Mantel aus. Dies hätte auf der ganzen Nordhalbkugel Subsidenz zur Folge gehabt (Fortes 1999). Die mit einer Konvektion dieser Größenordnung verbundenen Kräfte hätten jedoch eine Plattentektonik auslösen müssen. Eine weitere Theorie schließlich besagt, dass eben eine Plattentektonik auf der Nordhalbkugel durch Produktion von dünnerer Kruste der Grund für die Ausbildung eines Tieflandes war (Fortes 1999). Es gibt allerdings keine Strukturen, die auf eine Plattentektonik hinweisen.

Wahrscheinlich waren mehrere der genannten Prozesse an der Entstehung des nördlichen Tieflandes beteiligt.

 

2.2 Hauptmerkmale der Topographie und deren geologische Einordnung

2.2.1 Westliche Hemisphäre

 

Die westliche Hemisphäre (Abb. 1) wird von einer riesigen Vulkan-Provinz, der Tharsis-Region, beherrscht. Sie hat einen Durchmesser von bis zu 8000 km und auf ihr liegen die größten Vulkanbauten des Mars (Janle 1993a). Dazu zählen die 3 Tharsis Montes im südlichen Teil und der Olympus Mons am westlichen Rand von Tharsis (Smith et al. 1999). Olympus Mons hat eine Höhe von 21,2 km und er erhebt sich sogar 25 km über seine Umgebung (Hauber 2001b). Damit ist er der höchste Punkt auf dem Mars und der größte bekannte Vulkan im Sonnensystem. Bei den Vulkanen handelt es sich um riesige flache, wahrscheinlich basaltische Schildvulkane (Janle 1993b; s. Abb. 2). Der Olympus Mons hat an
 


                      Abbildung 1:  Topographie der westlichen Hemisphäre des Mars (NASA 2001a; verändert)

 

Abbildung 2: Geologie der westlichen Hemisphäre des Mars (Janle 1993a)


 

der Basis einen Durchmesser von 500 km. Ein ungewöhnlich flacher Vulkan ist Alba Patera im Norden der Tharsis-Region. Er hat bei einem Basisdurchmesser von 450 km nur eine Höhe von 4 km über seiner Umgebung (Hauber 2001b). Olympus Mons war in jedem Fall bis vor wenigen 100 Ma aktiv, einige der Vulkane möglicherweise bis in die geologisch jüngste Vergangenheit (10 Ma; Hauber 2001b).

Tharsis entstand wahrscheinlich schon vor 3,5 Ga im Zusammenhang mit einem riesigen Mantel-Plume durch eine Kombination aus Hebung als Hitzedom und Wachstum durch vom Vulkanismus gefördertes Material (Janle 1993b).

Vom südlichen Teil der Tharsis-Region erstreckt sich ein 5000 km langes, bis zu 100 km breites (Janle 1993a) und bis zu 11 km tiefes (Smith et al. 1999) Grabensystem nach Osten, die Valles Marineris. Sie sind wahrscheinlich bei der Aufdomung von Tharsis durch eine Ausdünnung der Lithosphäre entstanden (Zuber et al. 2000).

Im Süden der westlichen Hemisphäre befindet sich ein großes Becken, Argyre Planitia, das durch ein Impactereignis entstanden ist.

 

2.2.2 Östliche Hemisphäre

 

Der Süden der östlichen Hemisphäre (Abb. 3) wird von dem riesigen Einschlagsbecken Hellas Planitia beherrscht. In ihm befindet sich mit -7,8 km Tiefe der tiefste Punkt der Marsoberfläche (Oberst 2001). Die Gesamthöhendifferenz zwischen dem tiefsten Punkt im Becken und dem höchsten Punkt auf dem Auswurfmaterial rund um das Becken beträgt 9 km (Smith et al., 1999). Das Alter des Beckens wird auf 3,9 bis 4 Ga geschätzt. Die Lithosphäre muss zu diesem Zeitpunkt schon so mächtig gewesen sein, dass sie der Belastung eines Einschlags dieser Größenordnung standhalten konnte ohne zu zerbrechen. Dies ist ein Hinweis auf die schnelle Abkühlung des Mars schon früh in seiner Geschichte.

Auch die Alter der anderen großen Impactbecken Isidis Planitia, Utopia Planitia und Argyre Planitia auf der westlichen Hemisphäre werden auf etwa 4 Ga geschätzt. Das Isidis-Becken überprägt die Dichotomie-Grenze, die also älter sein muss (Smith et al. 1999). Das Utopia-Becken liegt im nördlichen Tiefland und ist zusammen mit diesem offenbar durch von Süden herangeführtes Material aufgefüllt worden.

Auf der östlichen Hemisphäre des Mars liegt eine zweite Vulkanprovinz, Elysium. Sie ist mit einem Durchmesser von nur etwa 2000 km sehr viel kleiner als Tharsis (Janle 1993a).



                       Abbildung 3:  Topographie der östlichen Hemisphäre des Mars (NASA 2001a; verändert)

 

Abbildung 4: Geologie der östlichen Hemisphäre des Mars (Janle 1993a)


 

Ihr größter Vulkan ist Elysium Mons, der sich 12 km über seine Umgebung erhebt. Elysium ist wohl zur selben Zeit wie Tharsis durch Aufwölbung über einem Mantel-Plume entstanden (Janle 1993b), und auch hier gibt es möglicherweise bis heute Aktivität (Hauber 2001b).

Schließlich gibt es noch in der Umgebung des Hellas-Beckens einige sehr alte Vulkane, die wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Impactereignis entstanden sind (Janle 1993b; s. Abb. 4).

Es gibt mehrere Ursachen für die im Vergleich zur Erde riesigen Vulkanbauten auf dem Mars. Zum einen gibt es hier (heute) keine Plattenbewegungen. Ein Hot-Spot, der über geologisch sehr lange Zeiträume stabil ist, kann Vulkane ebenso lange mit Material versorgen, so dass mit der Zeit riesige Magmenmengen gefördert werden können. Ein zusätzlicher Effekt ist, dass die Kruste an einer Stelle über lange Zeit aufgeheizt wird, so dass sich riesige Hitzedome wie Tharsis und Elysium bilden können (Janle 1993b).

Zum anderen sorgen die geringe Schwerkraft und eine sehr mächtige und damit tragfähige Lithosphäre dafür, dass Vulkanbauten dieser Größe überhaupt stabil sind.

 

2.2.3 Die Polkappen

 

Bei der Betrachtung der Polkappen (Abb. 5) fallen vor allem die wirbelartigen Strukturen auf, in denen sich die Eismassen vom Zentrum nach außen hin erstrecken. Ihre Herkunft ist unbekannt, hängt aber wahrscheinlich mit Winden zusammen, obwohl sie genau gegenläufig zur Wirkungsrichtung der Corioliskraft verlaufen.

Die Größe der Polkappen variiert mit den Jahreszeiten. Die ständige, jahreszeitenunabhängige Eisbedeckung der südlichen Polkappe ist etwa 1/3 kleiner als die der Nördlichen (Smith et al. 1999). Trotzdem gibt es Hinweise darauf, dass das Eisvolumen der südlichen Polkappe höher ist als das der Nördlichen.

Die Pole werden von sehr jungen, geschichteten Ablagerungen umgeben. Es handelt sich dabei offenbar um Wechsellagerungen von Eis und Staub. Das Volumen dieser eishaltigen Schichten und damit auch der Gesamtmenge an Eis ist am Südpol größer als am Nordpol. Das Gesamtvolumen an Eis wird am Nordpol auf 1,2 bis 1,7 Mio km3, am Südpol auf 2 bis 3 Mio km3 geschätzt (Smith et al. 1999).

Das Eis setzt sich aus Wassereis und Trockeneis (CO2-Eis) zusammen. Temperaturmessungen weisen darauf hin, dass die Hauptkomponente Wassereis ist (Smith et al. 1999).

 

Abbildung 5:  Nordpol (links) und Südpol (rechts) des Mars; weiß: Eisbedeckung, gelb: geschichtete Ablagerungen, grau: andere Formationen (Tanaka & Scott 1987; verändert)

 

2.3 Exogene Kräfte

 

Abgesehen von Verwitterungsprozessen und Meteoriteneinschlägen ist heute der Wind die aktivste exogene Kraft, die die Oberfläche des Mars verändert (Hauber 2001a). Regelmäßig werden starke Stürme beobacht, die den ganzen Planeten wochenlang in Staub hüllen können. Aber auch lokalere Phänomene wie Windhosen sind häufig. Viele Oberflächenformen entstehen durch Wind, z.B. Dünen in allen Formen, die auch auf der Erde zu finden sind (Janle 1993b).

Allerdings muss es in der Vergangenheit noch andere Mechanismen gegeben haben, die riesige, hunderte Kilometer lange Kanäle geformt und dabei große Mengen Material transportiert haben, vor allem in das nördliche Tiefland. Diese Kanäle haben sich in den sogenannten Regolith eingeschnitten, ein relativ unverfestigtes Gemisch aus Staub und Eis, das wahrscheinlich mehrere hundert Meter mächtig sein kann. Ebenso gibt es viel kleinere Kanäle, die z.B. von Kraterrändern oder tektonischen Abbrüchen ausgehen und häufig in Schuttfächern enden (Hoffman 2000). In den größeren Kanälen gibt es Fließstrukturen, z.B. tropfenförmige Inseln. Im Vergleichsschluss zur Erde lassen die Beobachtungen nur die Erklärung durch Wasser zu. Viele Forscher glauben, dass der Mars in seiner Vergangenheit ein warmes und feuchtes Klima unter einer dichteren Atmosphäre hatte. Diese Atmosphäre könnte der Mars später verloren haben, etwa durch den Sonnenwind (Acuña et al. 1999). Da der Mars kein eigenes Magnetfeld hat, kann der Sonnenwind ungehindert auf die Atmosphäre einwirken und geladene Teilchen mit sich reißen.

Es ergeben sich jedoch viele Widersprüche, wenn man versucht, die Beobachtungen auf flüssiges Wasser zurückzuführen. Sie betreffen einerseits die Existenz von flüssigem Wasser auf der Marsoberfläche an sich, andererseits die Entstehung der Strukturen, die mit Wasser in Zusammenhang gebracht werden.

Für die Existenz von flüssigem Wasser auf dem Mars wäre ein wärmeres Klima und eine dichtere Atmosphäre notwendig. Aus verschiedenen Gründen ist es schwierig, deren Entstehung zu erklären (Hoffman 2000): Zum Beispiel war die Sonne in ihrer Frühzeit 30 % kälter als heute. Der Mars müsste in seiner Vergangenheit also eher kälter als wärmer gewesen sein. Ein anderes Problem ist das Fehlen von Hinweisen auf Karbonate auf dem Mars. Unter einer Atmosphäre mit 95 Vol.-% CO2 müssten sich diese in Anwesenheit von flüssigem Wasser reichlich gebildet haben.

Durch die großen Kanäle müssten riesige Mengen an Wasser geflossen sein. Die Herkunft dieser Wassermassen ist jedoch unbekannt. Man geht von einer plötzlichen Entleerung unterirdischer Wasserreservoirs aus, da die Kanäle meist Gebieten mit einer chaotischen Morphologie entspringen. Diese Morphologie wird auf einen Volumenverlust im Untergrund durch die Abführung des gespeicherten Wassers zurückgeführt. Modellrechnungen haben jedoch gezeigt, dass der Volumenverlust dieser Gebiete sehr viel kleiner ist als das Wasservolumen, das zur Schaffung der Kanäle nötig war. Der Porenraum eines wesentlich größeren Gesteinsvolumens hätte auf einen Schlag entleert werden und an einem Ort konzentriert austreten müssen. Außerdem haben viele Kanäle mehrere „Flutereignisse“ erlebt. Es gibt jedoch keine Hinweise auf einen Wasserkreislauf auf dem Mars, durch den die Wasserreservoirs wieder hätten aufgefüllt werden können.

Von manchen Forschern wird auch ein früherer Ozean im nördlichen Tiefland propagiert (Head et al. 1999). Anhand von Photos wurden sogar Küstenlinien kartiert, die allerdings, wie die von MGS gewonnenen topographischen Daten zeigen, in ihrer Höhenlage hunderte bis tausende von Metern variieren.

Hoffman (2000) bietet eine alternative Erklärung für die Strukturen an, die durch Wasser entstanden zu sein scheinen. Sein sogenanntesWhite-Mars“-Modell geht von einem kalten, trockenen Klima zur Zeit ihrer Entstehung aus.

Hoffman nimmt an, dass der poröse Untergrund im Ursprungsgebiet der Kanäle nicht mit Wasser, sondern mit einer Mischung aus Trockeneis (CO2-Eis) und einem Klathrat, einer festen Mischung aus Wasser und Kohlendioxid, gefüllt ist. Teilweise wird der Regolith von diesem Feststoff zementiert.

 

Abbildung 6: Die Entstehung eines kryoklastischen Stroms (Hoffman 2000)

 

An Kraterrändern, tektonischen Brüchen oder anderen steilen Abhängen kann es zu Bewegungen von bis zu mehreren hundert Meter mächtigen Blöcken kommen, die auf besonders klathratreichen Horizonten gravitativ abgleiten. Während dieser Bewegung beginnen die Blöcke zu zerbrechen (Abb. 6 oben). Dabei wird das Trockeneis-Klathrat-Gemisch im unteren Bereich der Blöcke plötzlich druckentlastet und das Trockeneis entgast sehr schnell. Durch die starke Volumenvergrößerung bei diesem Prozess entsteht ein Materialstrom, der von CO2-Gas getragen wird. An der Stelle, an der der Block abgebrochen ist, wird weiteres Trockeneis durch Druckentlastung instabil und es brechen immer neue Blöcke ab, die in sich zerbrechen und neues Material für den Strom liefern. Dieser Strom ist sehr dicht und stark erosiv. Er ist in der Lage, Hindernisse zu überwinden, Fließstrukturen im Gelände zu hinterlassen und große Mengen Material zu transportieren (Abb. 6 unten). Im Anfangsstadium wird das Klathrat als Feststoff mit transportiert. Durch die Druckentlastung und die innerhalb des Stroms durch Reibung erzeugte Wärme wird es jedoch auch instabil und zerfällt relativ langsam in gasförmiges CO2 und Wassereis, das weiterhin als feste Komponente mittransportiert wird. Nun wird laufend Kohlendioxid freigesetzt, das dazu beiträgt, den Strom in Bewegung zu halten. In der Ursprungsregion der Ströme bleibt ein chaotisches Terrain zurück (Abb. 6 Mitte).

Auf Grund der tiefen Temperaturen, unter denen diese Prozesse ablaufen, werden die Ströme als „kryoklastische Ströme“ bezeichnet. Von ihrem Mechanismus her sind sie auf der Erde am ehesten mit pyroklastischen Strömen an Vulkanflanken und mit Trübeströmen an den Kontinentalrändern zu vergleichen. Dem Modell zufolge können sie eine Gesamtlänge von bis zu 3000 km erreichen.

 

2.4 Altersbestimmung

 

Alle Altersangaben für Formationen an der Oberfläche des Mars beruhen auf Impactkraterzählungen, der Größenverteilung von Kratern und, soweit dies auf den Photos der verschiedenen Sonden erkennbar ist, auf Überprägungsabfolgen und den Lagerungsverhältnissen verschiedener Formationen. Daher können für alle Formationen nur relative Alter angegeben werden. Absolute Alter müssen anhand der Impactkraterverteilung abgeschätzt werden.

Mit Hilfe der relativen Alter wurde die Marsgeschichte in 3 Ären eingeteilt (Scott & Tanaka 1986):

- Nochian (geschätztes absolutes Alter: 4,6 Ga bis ~4 Ga)

- Hesperian (geschätztes absolutes Alter: ~4 Ga bis ~2 Ga)

- Amazonian (geschätztes absolutes Alter: ~2 Ga bis heute)

(Altersangaben aus einer Abbildung von Hoffman 1999)

 

3. Schwerefeld und Krustenmächtigkeit

 

Abb. 7 zeigt Anomalien im Schwerefeld des Mars. Positive Anomalien (blau) weisen auf Massenkonzentrationen im Untergrund hin, negative Anomalien auf Massendefizite (Zuber et al. 2000).

 

Abbildung 7: Karte der Anomalien im Schwerefeld des Mars (Zuber et al. 2000)

 

Über der Tharsis-Region sind starke, unregelmäßige positive Anomalien zu erkennen, die über den großen Vulkanen durch die dortige Massenkonzentration besonders hoch sind. Derselbe Effekt ist bei der Vulkanregion Elysium zu beobachten. Die Impact-Becken weisen trotz ihrer topographischen Tieflage positive Anomalien, also Massenkonzentrationen, auf. Dies ist durch dichteres Mantelmaterial zu erklären, das zum isostatischen Ausgleich der Becken von unten aufgestiegen ist (s. Abb. 9, Profil B). Die negativen Anomalien über den Valles Marineris bzw. das sie verursachende Massendefizit sind Hinweise auf die Entstehung der Gräben durch Ausdünnung der Lithosphäre bei der Aufwölbung von Tharsis (Zuber et al. 2000).

Unter Annahme einer einheitlichen Krustendichte von 2,9 g/cm3 und unter Berücksichtigung der Topographie wurden die Schwereanomalien im Gravitationsfeld des Mars als Änderungen der Krustenmächtigkeit interpretiert. Nach diesem Modell liegt die durchschnittliche Krustenmächtigkeit bei 50 km (Zuber et al. 2000). Die geringste Mächtigkeit (3 km) ergibt sich unter Isidis Planitia, die größte (92 km) unter Syria Planum, einem Teil von Tharsis.

Die Krustenmächtigkeitskarte (Abb. 8) ähnelt der topographischen Karte. Auch hier ist eine Zweiteilung in eine südliche und eine nördliche Hemisphäre zu erkennen. Die Kruste im Süden ist 50 bis 70 km mächtig, ihre Mächtigkeit nimmt von Süden nach Norden ab. Im Norden hat die Kruste eine relativ einheitliche Mächtigkeit von 35 bis 40 km. Die Abnahme der Krustendicke von Süden nach Norden entspricht dem globalen topographischen N-S-Gefälle (Zuber et al. 2000). Der Trend der Krustenausdünnung nach Norden ist im Profil A in Abb. 9 besonders gut erkennbar. Im Profil B wird er unter Hellas und unter Tharsis unterbrochen. Beim Hellas-Becken ist der zum isostatischen Ausgleich aufgestiegene Mantel zu erkennen. Unter der Tharsis-Provinz ist die Kruste im Vergleich zur Umgebung verdickt.

 

Abbildung 8:  Karte der Krustenmächtigkeit des Mars; rote Linie: Grenze der topografischen Dichotomie (Zuber et al. 2000)

 

Die Grenzbereiche der topographischen Zweiteilung (Abb. 8, rote Linie) und der Krustendichotomie stimmen jedoch an vielen Stellen nicht überein. Arabia Terra im Westen von Tharsis gehört z.B. nach seiner Kraterbesetzung und seiner topographischen Höhenlage zum alten südlichen Hochland, nach seiner errechneten Krustenmächtigkeit jedoch zur nördlichen Hemisphäre. Tharsis selbst gehört nach der durchgehend hohen Krustenmächtigkeit vollständig zur südlichen Hemisphäre, nach seiner Kraterbesetzung jedoch teilweise zum jungen Norden und teilweise zum alten Süden.

 

Abbildung 9:  Globale Krustenprofile entlang der Längengrade 0°/180° (A) und 70°/250° (B); Pfeile: Grenze der topografischen Dichotomie (Zuber et al. 2000)

 

4. Magnetik

 

Abb. 10 zeigt Anomalien in der Vertikalkomponente des Marsmagnetfeldes. Die Karte ist auf den 180sten Längengrad zentriert. Die Daten sind höhenkorrigiert auf eine Höhe von 200 km. Die Skala ist logarithmisch, um auch kleinere Anomalien darstellen zu können.

 

Abbildung 10:   Karte des Marsmagnetfeldes in 200 km Höhe; dunkelgrau: keine Daten; V: Valles Marineris; G: Ganges Chasma; A: Olympus Mons; C: Chryse Planitia (Purucker et al. 2000)

 

Der Mars besitzt heute praktisch kein globales Magnetfeld mit Dipolcharakter mehr (Acuña et al. 1999). Das bedeutet, dass alle Anomalien auf der Karte nicht induziert sind wie die meisten Anomalien auf der Erde, sondern wahrscheinlich auf thermoremanenter Magnetisierung der Gesteine basieren.

Über einem Großteil der Marsoberfläche wurde gar keine Magnetisierung gemessen. Besonders auffällig ist ein Streifenmuster aus E-W-streichenden linearen Anomalien im alten südlichen Hochland, das sich etwa vom 120sten bis zum 240sten Längengrad zieht. Es setzt sich aus mehreren bis 2000 km langen und 100 bis 200 km breiten Streifen zusammen, die etwa gleich stark und abwechselnd in entgegengesetzter Richtung magnetisiert sind (Connerney et al. 1999). Der Mars muss früh in seiner Geschichte ein eigenes magnetisches Dipolfeld gehabt haben, das von einem internen Dynamo erzeugt wurde. Es hat wahrscheinlich nur wenige 100 Ma existiert. Weder die schon sehr früh entstandenen Impactbecken, noch die Gesteine rund um die bis in geologisch jüngste Zeit aktiven Vulkane zeigen Magnetisierung. Der Dynamo hat offenbar schon vor mindestens 4 Ga aufgehört zu arbeiten und danach nicht wieder eingesetzt (Acuña et al. 1999). Die wechselnden Vorzeichen der Anomalien zeigen, dass das Magnetfeld während seines Bestehens seine Polarität gewechselt haben muss (Connerney et al. 1999).

Die Anomalien sind allerdings nicht mit dem magnetischen Streifenmuster auf irdischer ozeanischer Kruste vergleichbar. Zum einen sind sie wesentlich größer, zum anderen sind sie um ein vielfaches stärker. Für Anomalien dieser Größenordnung muss eine remanente Magnetisierung bis in große Tiefe (ca. 30 km) vorhanden sein (Connerney et al. 1999). Schon vor dem Verschwinden des Magnetfeldes muss die Temperatur der Gesteine in diesen Tiefen unter der Curie-Temperatur gelegen haben. Hier findet sich also ein weiterer Hinweis auf eine schnelle Abkühlung des Mars.

Die Entstehung des Streifenmusters ist unklar. Die Topographie zeigt keine Merkmale, die mit den Anomalien in Verbindung gebracht werden könnten. Es wird vermutet, dass Plattenbewegungen vor mehr als 4 Ga die lineare Produktion von Kruste entlang einer Spreizungsachse verursacht haben und dass sich in dieser Zeit die Polarität des Magnetfelds mehrfach umgekehrt hat. Dabei müssen entweder die Plattenbewegungen sehr viel schneller gewesen oder die Phasen gleichbleibender Polarität des Magnetfeldes sehr viel länger gedauert haben als heute auf der Erde (Connerney et al. 1999).

Wie schon mehrfach erwähnt, geht man von einer schnellen Abkühlung des Mars aus und davon, dass die Lithosphäre sehr früh eine große Mächtigkeit erreicht hat. Falls es Plattenbewegungen gegeben hat, könnten sie dadurch schließlich zum Stillstand gebracht worden sein. Dies könnte wiederum zum Anhalten des Dynamos im Kern geführt haben. Vorher wurde Wärme aus dem Mantel sehr effektiv durch Konvektion in Oberflächennähe gebracht. Danach konnte sie nur noch durch Konduktion an die Oberfläche abgeführt werden. Dies hätte zu einem Wärmestau im Mantel geführt. Durch den daraus resultierenden geringeren Temperaturgradienten zwischen Kern und Mantel wäre der Antrieb für die Konvektionsströme innerhalb des (flüssigen) Kerns, die das Magnetfeld erzeugten, verloren gegangen (Zuber et al. 2000).

Die Streifen könnten auch als Serie von parallelen, in regelmäßigen Abständen auftretenden riesigen vulkanischen Intrusionen bzw. Gängen interpretiert werden (Nimmo 2000). Allerdings ist es schwierig, die räumliche und zeitliche Regelmäßigkeit der Intrusionen und den Mechanismus zur Heranführung derart riesiger Mengen an Material zu erklären.

Fast alle anderen magnetischen Anomalien wurden über der alten Kruste des südlichen Hochlands gefunden. Nur einige wenige, sehr viel kleinere und schwächere Anomalien liegen nahe des Nordpols im nördlichen Tiefland. Sie sind auf Abb. 10 durch die verwendete Kartenprojektion zu Streifen verzerrt. Sie werden wahrscheinlich von alter magnetisierter Kruste verursacht, die unter einer dünnen jüngeren Bedeckung liegt (Purucker et al. 2000).

 

5. Petrologie und Aufbau des Mars

5.1 Petrologie der Oberfläche

 

Mit Hilfe von Spektrometern können Minerale und Mineralgemische auf der Marsoberfläche identifiziert werden. Hier sollen zwei Arbeiten vorgestellt werden, die zwar leider keinen Bezug aufeinander nehmen, obwohl alle Daten von MGS stammen, deren Ergebnisse sich aber gegenseitig stützen. Ebenfalls Unterstützung erhalten die Arbeiten durch massenspektrometrische Analysen an Lockergesteinen und Gesteinsbrocken, die bei den Viking-Missionen und bei der Pathfinder-Mission auf der Marsoberfläche vorgenommen wurden.

Die spektroskopische Karte aus der Arbeit von Clark und Hoefen (2000; Abb. 11) zeigt, dass auf großen Teilen der Gebiete der Marsoberfläche mit niedrigem Albedo, v.a. in den südlichen Hochländern, die in blau dargestellten Minerale Olivin und Pyroxen zu finden sind. Bereiche mit Fe-armem Olivin sind als weiße Flecken ausgeschieden. Hier liegt der Anteil von FeO bei 9 bis 35%, ansonsten sind es bis zu 48%. Wahrscheinlich bestehen die dunklen Bereiche der Oberfläche aus dunklen vulkanischen Gesteinen. Die Anwesenheit von Olivin spricht gegen warme und feuchte Bedingungen, die nach der Ansicht vieler Forscher einmal auf dem Mars geherrscht haben könnten. Olivin verwittert in Anwesenheit von Wasser sehr schnell.

Die Verbreitung von Olivin und Pyroxen ist allerdings nicht so flächendeckend, wie es auf der Abbildung erscheint, da die blauen Punkte, die die Minerale repräsentieren, stark vergrößert sind, um sie besser sichtbar zu machen. Sie bedecken zwischen 45° Nord und 45° Süd nur 3% der Oberfläche.

Abbildung 11:   Mineralverteilungskarte der Marsoberfläche im Vergleich zu einer Albedokarte; V1-4: Olympus Mons und Tharsis Montes; VM: Valles Marineris; A: Argyre; N: Nili Fossae; H: Hämatitfunde; C: magentafarbener Bereich durch Wolken (Clark & Hoefen 2000)

 

In grün bis gelb sind Gebiete gehalten, deren spektrale Eigenschaften auf die Anwesenheit von Sulfaten hinweisen. Sie stimmen weitgehend mit den Gebieten mit hohem Albedo überein. Die Viking- und Pathfinder-Landesonden haben auf dem Mars Lockergesteine („soils“) untersucht, die durchgehend relativ hohe Schwefelgehalte aufweisen (Rieder et al. 1997). Es ist gut möglich, dass der Schwefel in Sulfaten gebunden ist. Daher geht man davon aus, dass die hellen, sulfathaltigen Gebiete der Marsoberfläche größtenteils von diesen Böden bedeckt sind (Clark & Hoefen 2000), bei denen es sich wahrscheinlich um Verwitterungsprodukte handelt, die durch äolische Prozesse transportiert wurden und werden. Die rote Farbe der Böden, die die Färbung des gesamten Planeten hervorruft, kommt durch feinkörnigen Hämatit zustande, der sich unter den trockenen und kalten Bedingungen, die heute an der Marsoberfläche herrschen, durch Verwitterung eisenhaltiger Gesteine bildet (Clark & Hoefen 2000).

Eine Besonderheit ist die Anwesenheit von grobkörnigem Hämatit, dargestellt in Magenta, der in zwei kleineren Gebieten nahe des Äquators gefunden wurde (Christensen 1998). Bisher ist seine Entstehung unklar. Auf der Erde bildet sich grobkörniger Hämatit bei bestimmten hydrothermalen Prozessen. Die spektroskopischen Untersuchungen auf dem Mars haben allerdings keine Hinweise auf bestimmte andere Minerale erbracht, die gleichzeitig gebildet werden (Clark & Hoefen 2000).

Auch in der Arbeit von Bandfield et al. (2000) werden die Gebiete mit hohem Albedo als eine Staubbedeckung interpretiert, die Bereiche mit niedrigem Albedo dagegen als fast staubfreie Gesteine vulkanischen Ursprungs. Hier wurden nur letztere untersucht.

Es wurde versucht, Mineralgemische zu finden, deren spektrale Eigenschaften möglichst genau mit den Eigenschaften der dunklen Bereiche der Marsoberfläche übereinstimmen. Minerale mit einem Volumenanteil unter ca. 15% können dabei nicht zugeordnet werden, da sie einen zu geringen Einfluss auf das Spektrum des Gesamtgemisches haben.

Es wurden zwei Oberflächentypen gefunden (Abb. 12). Die Eigenschaften von Typ 1 stimmen am besten mit einem Mineralgemisch überein, das zu 50 Vol.-% aus plagioklasreichem Feldspat und zu 25 Vol.-% aus augitreichem Klinopyroxen besteht. Wahrscheinlich spielen auch Schichtsilikate eine Rolle, ihr Anteil liegt jedoch bei oder unter 15%. Die Zusammensetzung entspricht einem Basalt oder einem SiO2-armen Basalt-Andesit. Unterstützt wird diese Interpretation von dem in der Arbeit von Clark und Hoefen beschriebenen Fund von Olivin im südlichen Hochland. Der Oberflächentyp 1 konzentriert sich vor allem dort.

Das Spektrum des Oberflächentyps 2 stimmt am besten mit dem eines Gemischs aus 35 Vol.-% plagioklasreichem Feldspat und aus 25 Vol.-% vulkanischem Glas mit 75 Gew.-% SiO2 überein. Dazu kommen wahrscheinlich noch Anteile von Klinopyroxen und Schichtsilikaten, ihre Anteile liegen jedoch jeweils bei oder unter 15%. Etwa diese Zusammensetzung ist bei SiO2-reichen Basalt-Andesiten oder Andesiten zu finden. Die Pathfinder-Landestelle befindet sich im Bereich des Oberflächentyps 2. Die hier analysierten Gesteinsbrocken haben eine chemische Zusammensetzung, die ebenfalls am besten mit der eines Andesits übereinstimmt (Rieder et al. 1997). Der Oberflächentyp 2 macht große Teile der jüngeren nördlichen Hemisphäre aus.

Auch bei der Beschaffenheit der Oberfläche liegt also eine globale Zweiteilung vor, die mit der topographischen Dichotomie übereinstimmt.

In der Frühzeit des Mars hat ein basaltischer Vulkanismus vorgeherrscht. Mit der Zeit wurden dann vor allem im Norden, in geringem Ausmaß aber offenbar auch im Süden, höher differenzierte andesitische Magmen gefördert (Bandfield et al. 2000).

 

Abbildung 12:   Globale Verteilung der Oberflächentypen 1 und 2 im Vergleich zu einer Albedokarte; grau: keine Daten (Albedokarte: Kanefsky 1994; Verteilungskarten der Oberflächentypen: Bandfield et al. 2000)

 

5.2 Die Marsmeteorite

 

Zur Zeit werden 27 Meteorite als Meteorite vom Mars interpretiert (Baalke 2001). Diese wurden ursprünglich in 3 Klassen eingeteilt:

 

Meteoritenklasse

Gestein

Shergottite

Basalte und Lherzolite

Nakhlite

Klinopyroxenite

Chassignit (nur ein Exemplar)

Dunit

 

Tabelle 3: Einteilung der Marsmeteorite (Allen 1996)

 

Die Klassifizierung erfolgte lange bevor man sie als Meteorite vom Mars deutete. Heute werden alle einfach als Marsmeteorite zusammengefasst, da einige nicht mehr in die 3 Klassen eingeordnet werden können. Dazu gehört auch ALH84001, ein Orthopyroxenit, in dem angeblich fossile Bakterienspuren gefunden wurden (Baalke 2001).

Es gibt mehrere Gründe, die dafür sprechen, dass die Meteorite vom Mars stammen (Allen 1996): Zum ersten sind in einem der Meteorite (EETA79001) Gaseinschlüsse gefunden worden, deren Zusammensetzung sehr genau mit der der Marsatmosphäre übereinstimmt, die von den Viking-Sonden gemessen wurde. Zum zweiten sind die Meteorite jünger als die aus dem Asteroidengürtel. Die meisten haben ein Alter von etwa 1,3 Ga. Zum dritten weisen sie ungewöhnliche Isotopenverhältnisse und Elementgehalte auf. Die beiden letzten Aspekte zeigen, dass die Gesteine einem jüngeren System entstammen, in dem Differentiation stattgefunden hat. Hierbei kann es sich eigentlich nur um einen der terrestrischen Planeten handeln. Es ist unwahrscheinlich, dass sie von einem der Monde der großen Gasplaneten stammen, da die Meteorite nur schwer aus deren starken Gravitationsfeldern entkommen wären. Ähnliches gilt für die inneren Planeten. Meteorite von Venus oder Merkur wären eher nach innen zur Sonne spiralt, als sich von ihr zu entfernen. Und der Mond der Erde schließlich kommt als Quelle nicht in Frage, weil seine jüngsten Gesteine mit 2 Ga zu alt sind.

Nach ihrer Zusammensetzung handelt es sich bei den Marsmeteoriten ausschließlich um mafische bis ultramafische, also wenig differenzierte Gesteine. Sie stammen wahrscheinlich aus dem oberen Bereich der Marskruste und sind bei Impactereignissen herausgeschlagen worden.

 

5.3 Die Entwicklung der Krustengesteine

 

Trägt man das Al-Si-Verhältnis der auf der Marsoberfläche untersuchten Gesteine und Böden sowie verschiedener Marsmeteorite in einem Diagramm gegen ihr Mg-Si-Verhältnis ab (Abb. 13), so kommen die Punkte in etwa auf einer Geraden zu liegen. Hier handelt es sich wahrscheinlich um eine Mantel-Krusten-Fraktionierungslinie (Rieder et al. 1997).

 

Abbildung 13:   Al/Si-Verhältnis aufgetragen gegen Mg/Si-Verhältnis für: Marsmeteorite (Dreiecke), Böden („Viking soils“, „MPF soils“) und von Pathfinder analysierte Gesteine („Barnacle Bill“, „Soil free rock“); zum Vergleich: verschiedene irdische Gesteine (Kreise) (Rieder et al. 1997)

 

Zum Vergleich ist eine entsprechende Fraktionierungslinie für die Erde dargestellt. Durch sie ist der Trend der Entwicklung von wenig differenzierten Mantelgesteinen hin zu den höher differenzierten Krustengesteinen zu erkennen. Auf dem Mars hat offenbar eine ähnliche Differenzierung der Gesteine stattgefunden, von ultramafischen Gesteinen, vertreten durch einige Meteoriten, bis hin zu Gesteinen mit andesitischer Zusammensetzung, repräsentiert durch die von Pathfinder untersuchten Gesteine und die Böden. Letztere sind wahrscheinlich Verwitterungsprodukte andesitischer Gesteine. Möglicherweise entstand durch Differenzierungsprozesse in einem sekundären Reservoir eine zweite Fraktionierungslinie, die durch die gestrichelte Linie dar­gestellt wird (Rieder et al. 1997).

 

5.4 Der Mantel des Mars

 

Man nimmt an, dass sich die Basalte des Mars wie auch die Basalte der Erde aus Mantelschmelzen gebildet haben. Durch die Shergottite kennt man die Zusammensetzung der Basalte. Man weiß, in welchen Verhältnissen sich bestimmte Elemente bei einer Schmelzbildung im Mantel in der Schmelze anreichern. So kann man abschätzen, wie der Mantel des Mars zusammengesetzt ist:

 

Oxide

Anteil in Gew.-% am Mantel von:

 

Mars

Erde

SiO2

44,4

45,1

MgO

30,2

38,3

FeO

17,9

7,8

Al2O3

3,0

4,0

CaO

2,4

3,5

Cr2O3

0,8

0,5

MnO

0,5

0,1

Na2O

0,5

0,3

TiO2

0,1

0,2

K2O

0,04

0,03

 

Tabelle 4:   Zusammensetzung des Marsmantels im Vergleich zum Erdmantel (Taylor 1997)

 

Auffällig ist die hohe Konzentration von FeO, die allerdings von manchen Forschern angezweifelt wird. Nach anderen Modellen enthält der Mantel des Mars sogar weniger FeO als der Erdmantel.

Mit Gemischen von Oxidpulvern, die die Zusammensetzung des oben beschriebenen Modells für den Mantel hatten, wurden Hochdruck-Hochtemperatur-Versuche gemacht. Die Gemische wurden Bedingungen ausgesetzt, die unter Annahme eines bestimmten geothermischen Gradienten den Bedingungen in 200 bis 2000 km Tiefe entsprechen. Außerdem wurde eine 50 km mächtige Kruste angenommen. Aus den Versuchen ergab sich folgendes Bild (Taylor 1997; Abb. 14):

Zwischen 50 und 1100 km besteht der Mantel des Mars aus Olivin, Pyroxen und einem kleineren Anteil Granat. Zwischen 1100 und 1300 km wandelt sich Olivin in g-Spinell sowie Granat und Pyroxen in Majorit um. Bis 1850 km bleibt die Paragenese aus g-Spinell und Majorit stabil. In dieser Tiefe findet dann eine relativ schnelle Umwandlung in Perovskit und Magnesiowüstit statt. Bei 2000 km Tiefe liegt schließlich die Grenze zum metallischen Kern.

 

Abbildung 14: Schalenbau des Mars (Taylor 1997, verändert)

 

Diesem Modell ist ein geothermischer Gradient zu Grunde gelegt, bei dem ein flüssiger Kern anzunehmen ist. Veränderungen in diesem Gradienten würden lediglich zu einer Tiefenverschiebung der Phasengrenzen führen. Allerdings könnte dadurch die dünne Schicht aus Perovskit und Magnesiowüstit verschwinden. Ist oder war eine solche Zone vorhanden, hätte sie mit Sicherheit Auswirkungen auf die Bildung und die Eigenschaften von Mantel-Plumes.

 

5.5 Der Kern des Mars

 

Man geht davon aus, dass sich der Mars wie die Erde vorwiegend aus chondritischem Material gebildet hat. Vereinfacht gesagt müsste nun alles Eisen und Nickel, das sich nicht im Mantel befindet, den Kern bilden. Außerdem geht man davon aus, dass sich aller Schwefel im Kern befindet. Nach diesem Modell (Taylor 1997) müsste der Kern folgendermaßen zusammengesetzt sein:

 

Element

Anteil in Gew.-%

Fe

            77,8

Ni

              7,6

S

            14,2

 

Tabelle 5:  Zusammensetzung des Mars­kerns (Taylor 1997)

Der Kern des Mars ist wahrscheinlich flüssig.

 

6. Zusammenfassung

 

Der Mars übt wohl eine besondere Faszination auf den Menschen aus, da er von allen bekannten Planeten der Erde am ähnlichsten ist. Seit der Mensch in der Lage ist, sich mit Teleskopen ein Bild von seiner Oberfläche zu machen, wurde immer wieder Leben auf dem Mars vermutet, ob nun in Form von intelligenten Zivilisationen, die für „Kanäle“ und riesige steinerne „Gesichter“ verantwortlich gemacht wurden, oder in Form von Bakterien, die in Marsmeteoriten ihre Spuren hinterlassen haben sollen.

Viele seiner Geheimnisse hat der Mars noch nicht preisgegeben. Der Lösung von manchen werden wir vielleicht durch die Marsmissionen der nächsten Jahre näher kommen. Schon heute ist die Marsoberfläche in mancher Hinsicht besser erforscht als die Tiefsee der Erde. Ob und wann einmal bemannte Raumschiffe den Mars erreichen, kann wohl heute niemand beantworten. Dass der Mensch es versuchen wird ist jedoch sehr wahrscheinlich.

 

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